Robert Edward Lee

(* 19. Januar 1807 in Stratford, Virginia; † 12. Oktober 1870 in Lexington, Virginia) war Oberst der US-Armee und der erfolgreichste General der Armee der Konföderierten Staaten von Amerika. Sein bedeutendstes Kommando während des Sezessionskriegs (1861–1865) war der Oberbefehl über die Nord-Virginia-Armee. Schließlich wurde er noch kurz vor dem Ende des Krieges Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Konföderation. Seinen Ruhm begründete er mit zahlreichen Siegen, die er mit unterlegenen Kräften meist durch Verlagerung des Schwerpunktes gegen überlegene Kräfte erfocht. Nach dem Bürgerkrieg setzte er sich für die Aussöhnung zwischen den Kriegsparteien ein und war Präsident einer Hochschule in Lexington, Virginia. Bis heute genießt er nicht nur in den Südstaaten als einer ihrer Helden große Verehrung.

Familienleben

Elternhaus, Kindheit und Jugend

Lee entstammte einer alteingesessenen und hoch angesehenen Familie in Virginia. Sein Vater Henry Lee, genannt Light Horse Harry, hatte sich im Unabhängigkeitskrieg ausgezeichnet und die Anerkennung George Washingtons gewonnen. Er war außerdem zeitweise Mitglied des US-Kongresses und Gouverneur von Virginia. Politisch und militärisch hatte Henry Lee jedoch mehr Erfolg als geschäftlich. Deshalb konnte Robert Edward Lee nicht wie sein Bruder in Harvard studieren, sondern wurde an Privatschulen in Alexandria, Virginia unterrichtet und gezielt auf die Berufung an die Militärakademie West Point, New York vorbereitet, die 1825 erfolgte. Später zeigte er sich in finanziellen Dingen besonnen und übergenau.

Ehe und Kinder

1830 lernte Lee während eines Heimaturlaubs Mary Anna Randolph Custis, eine Urenkelin Martha Washingtons kennen. Ihr Vater, George Washington Parke Custis, stand der Beziehung skeptisch gegenüber, weil er die Finanzmisere der Lees kannte und befürchtete, dass Lee seiner Tochter vom Gehalt eines Leutnants nicht den gewohnten Lebensstandard bieten könnte. Die Heirat fand trotzdem am 30. Juni 1831 statt. Lee lebte mit Mary und ihrem Vater gemeinsam im Custis Mansion an den Ufern des Potomac River in Arlington, Virginia, gegenüber von Washington (D.C.). Aus der Ehe gingen vier Töchter und drei Söhne hervor.

Mary erkrankte 1850 schwer an rheumatischer Arthrose und konnte ihren Mann nicht zu seinen verschiedenen Einsatzorten begleiten. Die Ehe galt als glücklich und die beiden Ehepartner als sich gegenseitig treu ergeben. Obwohl sich Lee gerne mit schönen Frauen umgab, gab es keine Skandale. Während des Bürgerkrieges zog Mary mit den Töchtern nach Richmond und folgte ihrem Mann nach dem Krieg nach Lexington. Dort starb sie 1873 und wurde neben ihrem Mann beigesetzt.

Lees Söhne dienten ausnahmslos in den Streitkräften der Konföderation: George Washington Custis Lee und William Henry Fitzhugh Lee als Generalmajore der Kavallerie und Robert Edward Lee Junior als Hauptmann der Artillerie. G. W. Custis folgte 1871 seinem Vater als Präsident des Washington College.

Da alle Kinder bis auf zwei kinderlos blieben, gab es 2002 nur 20 direkte Nachkommen Robert E. Lees.

 

Karriere in der US-Armee

West Point und die Zeit bei den Pionieren

Während seines Studiums in West Point lernte Lee den späteren konföderierten General Albert Sidney Johnston und den späteren Präsidenten der Konföderierten Staaten von Amerika, Jefferson Davis, kennen. Zu seinen Klassenkameraden zählte unter anderem auch der spätere konföderierte General Joseph E. Johnston, dem er während der Schlacht von Seven Pines als Oberbefehlshaber der Nord-Virginia-Armee nachfolgen sollte. Lees Leistungen an der Akademie waren herausragend. Er schloss sie 1829 als Zweitbester seines Jahrgangs ab und hatte sich in den Jahren seiner Ausbildung keinen Tadel für ungebührliches Verhalten eingehandelt.

Nach dem Abschluss wurde Lee zum Leutnant ernannt und, auch dank seiner guten Leistungen an der Akademie, dem Pionierkorps der US-Armee zugeteilt. Nach 17 Monaten in Fort Pulaski auf Cockspur Island im Hafen von Savannah, Georgia wurde Lee nach Fort Monroe, Virginia versetzt.

1834 bis 1837 diente Lee im Stab des Inspekteurs der Pioniere – assistant in the chief engineer’s office – in Washington, D.C. Im Sommer 1835 half er dabei, die Staatsgrenze zwischen Ohio und Michigan festzulegen. 1837 erhielt er schließlich sein erstes, eigenständiges Kommando.

Als Oberleutnant der Pioniere überwachte Lee die Arbeiten am Hafen von St. Louis und an den oberen Flussläufen des Mississippi River und Missouri River. Als Anerkennung seiner dortigen Arbeit wurde er zum Hauptmann befördert. 1841 wurde Lee nach Fort Hamilton, im Hafen der Stadt New York, New York, gelegen, versetzt und übernahm die Verantwortung für den Bau der Befestigungsanlagen.

 

Mexikanisch-Amerikanischer Krieg

Während des Mexikanisch-Amerikanischen Krieges von 1846 – 1848 zeichnete sich Lee im Stab von General Winfield Scott aus. Mehrere amerikanische Siege waren Ergebnis seiner Aufklärungsarbeit; z.B. setzte er Artillerie an Orten ein, die vom mexikanischen General Santa Anna als dafür unmöglich bezeichnet worden waren. Im Verlauf des Krieges zeichnete sich Lee durch außerordentliche Geschicklichkeit und Tapferkeit aus. Er erwarb sich das lang währende Vertrauen Scotts, der den jungen Offizier hoch schätzte und bewunderte. Lee kämpfte in den Schlachten von Chapultepec, Contreras, Cerro Gordo und Churubusco, wurde dabei einmal verwundet und erhielt als Anerkennung seiner Leistungen drei Brevet-Beförderungen.

 

Direktor von West Point und Dienst in Texas

Nach dem Mexikanisch-Amerikanischen Krieg verbrachte Lee drei Jahre beim Bau von Fort Carroll im Hafen von Baltimore, Maryland. 1852 wurde er zum Direktor der US-Militärakademie West Point ernannt und widmete sich der Verbesserung der Gebäude und Lehrgänge sowie dem persönlichen Umgang mit den Kadetten, zu denen auch sein ältester Sohn George Washington Custis gehörte, der die Schule 1854 als Bester seines Jahrgangs abschloss. Ein Jahr später, 1855, wurde Lee Oberstleutnant und stellvertretender Kommandeur des neu aufgestellten 2. US Kavallerie-Regiments, mit dem er an der texanischen Grenze Siedler vor Angriffen der Comanchen und Apachen verteidigte. Regimentskommandeur war Oberst Albert S. Johnston, viele spätere Generale der Konföderation waren Angehörige des Regiments, z.B. William J. Hardee, Earl Van Dorn, Edmund Kirby Smith, John Bell Hood oder Lees Neffe Fitzhugh. Dies waren nicht die glücklichsten Jahre Lees, da er nur ungern lange Zeit von seiner Familie getrennt verbrachte. Als seine Frau 1859 ernsthaft erkrankt war und Lee sich im Urlaub in Arlington befand, überfiel John Brown Harpers Ferry, Virginia (heute West Virginia), mit dessen Verhaftung und anschließender Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung Lee beauftragt wurde. Nachdem dies erreicht war, kehrte er zu seinem Regiment nach Texas zurück und wurde nach der Lossagung Texas' von der Union Anfang 1861 nach Washington, D.C. zurückbeordert. Dort wurde Lee zum Oberst befördert und zum Kommandeur des 1. US Kavallerie-Regiments ernannt.

 

Lees Haltung zur Sezession und zur Sklavenfrage

Lee hatte sich mit den geschichtlichen und rechtlichen Grundlagen einer Sezession ausgiebig beschäftigt, weil schon 1814 Neuenglandstaaten mit einer Sezession gedroht hatten. Er war schließlich überzeugt, dass ein Staat das Recht zum Austritt durch den Beitritt erworben hätte.

“…that Virginia in seceding from the Union was exercising the right she had reserved when she entered it.”

Trotzdem gab es für ihn keine größere Katastrophe als die Auflösung der Union. Für die Bewahrung der Einheit der Nation würde er alles außer seiner Ehre opfern, schrieb er in einem Brief an seinen Sohn am 23. Januar 1861.

“But I can anticipate no greater calamity for the country than a dissolution of the Union....I am willing to sacrifice everything but honor for its preservation.”

Lee war einer Meinung mit den Südstaatlern, dass sie durch die vom Norden getroffenen abolitionistischen Maßnahmen außerordentlich betroffen seien. In einem Brief an seinen Sohn am 14. Dezember 1860 lehnte er jedoch den Kurs der ‚Baumwollstaaten’ besonders gegen die ‚Grenzstaaten’ ab, diese mit Drohungen zum Abfall von der Union zu bewegen.

“I am not pleased with the course of the 'Cotton States', as they term themselves. In addition to their selfish, dictatorial bearing, the threats they throw out against the 'Border States,' as they call them, if they will not join them, argue [sic] little for the benefit.”

In dem zuerst zitierten Brief nannte er die Sezession eine Revolution, sei aber bereit, alle richtigen Schritte zur Wiedergutmachung mitzugehen.

“I feel the aggression, and am willing to take every proper Step for redress….Secession is nothing but revolution.”

Nur folgerichtig stellte er weiter fest, dass eine Union, die nur durch Schwerter und Bajonette zusammengehalten werden könnte, für ihn nicht attraktiv sei.

“Still, a Union that can only be maintained by swords and bayonets, …has no charm for me.”

Er schrieb seinem Sohn weiter, dass wenn die Union gelöst und die Regierung gespalten werde, er in seinen Heimatstaat zurückkehren und nicht kämpfen würde.

“If the Union is dissolved, and the Government disrupted, I shall return to my native State and share the miseries of my people, and save in defence will draw my sword on none.”

Diese Entscheidung, im Konfliktfall neutral zu bleiben, stand also bereits im Januar 1861 fest. Trotzdem fiel ihm der endgültige Entschluss, den Dienst zu quittieren, nicht leicht. Das betonte er in seiner ablehnenden Antwort auf das Angebot, den Oberbefehl über die US-Armee zu übernehmen, am 20. April 1861.

Vom virginischen Konvent am 23. April 1861 gebeten, die Führung der virginischen Miliz zu übernehmen und neue Streitkräfte aufzubauen, nahm er diese Aufgabe entgegen seines ursprünglichen Willens pflichtbewusst an. In einem Brief vom 25. April formulierte er den Wunsch, der ihn auch durch den Bürgerkrieg leitete, eine auf Verteidigung ausgerichtete Politik zu durchzuführen, um den Angriffen standhalten zu können, damit der Zorn mit der Zeit abklingen und die Vernunft die Oberhand gewinnen könnte.

“I think our policy should be purely on the defensive, to resist aggression and allow time to allay the passions and permit reason to resume her sway.”

Lee war als Angehöriger der virginischen Oberschicht aufgewachsen. Der Umgang mit Sklaven war ihm vertraut. Bis 1857 besaß er keine eigenen Sklaven, dann erbte er von seinem Schwiegervater 63 Sklaven – Männer, Frauen und Kinder. Eine Auflage des Testaments war, diese Sklaven spätestens nach Ablauf von fünf Jahren als freie Neger aus der Sklaverei zu entlassen. Da Lee für die Schulden seines Schwiegervaters aufkommen musste, entschloss er sich, die Sklaven zu vermieten und so das benötigte Geld aufzubringen. Als 1859 drei Sklaven flohen und wieder ergriffen wurden, wurden sie unter Lees Aufsicht ausgepeitscht und ihre zerfleischten Rücken mit Salzlake eingerieben. Gemäß dem Testament entließ Lee die Sklaven 1862 in die Freiheit.

Dies zeigt, dass Lee die Sklaverei zu seinem eigenen Vorteil genutzt hat und nicht gegen sie eingestellt war. Auch sein am 7. Dezember 1856 an seine Frau geschriebener Brief wird häufig falsch zitiert. Er räumte darin zwar ein, dass die Sklaverei ein „moralisches und politisches Übel“ sei, schrieb aber weiter:

„Sklaverei sei für die Weißen ein größeres Übel als für die schwarze Rasse. Denen ginge es hier unermesslich besser als in Afrika und die schmerzhafte Disziplin, der sie hier unterliegen, sei notwendig, um sie auf ein besseres Leben vorzubereiten und hinzuführen. Das Ende der Unterjochung kenne und würde nur der weise, barmherzige Schöpfer anordnen.“

Selbst sein 14 Tage vor Kriegsende vorgeschlagener Plan, Sklaven für den Süden kämpfen und nach dem Krieg frei zu lassen, hatte nichts mit seiner Haltung zur Sklaverei zu tun. Vielmehr war dies ein letzter Strohhalm, mit dem er hoffte, die rapide schwindende Mannschaftsstärke seiner Armeen wieder herstellen zu können.

 

Der Amerikanische Bürgerkrieg entschluss für den Süden

Am 18. April 1861, vier Tage nach den Schüssen auf Fort Sumter, bot der einflussreiche Politiker Francis Preston Blair Lee im Auftrag des Präsidenten Abraham Lincoln das Kommando über die Unionsarmee an. Lee lehnte das Angebot wegen seiner Verbundenheit mit seinem Heimatstaat Virginia ab, der inzwischen auch aus der Union ausgetreten war. Sein Offizierspatent gab er am 23. April zurück, verabschiedete sich von seinen Freunden in Washington, D.C. und kehrte nach Virginia zurück. Dort wurde er kurz darauf zum Oberbefehlshaber der virginischen Streitkräfte ernannt. Als diese Teil der konföderierten Streitkräfte wurden, ernannte man Lee mit vier anderen zum Brigadegeneral. Die anderen vier erhielten Truppenkommandos, Lee musste die Verteidigung der Hauptstadt organisieren. Nach dem ersten konföderierten Sieg bei Manassas wurde der Rang des Full Generals (Vier-Sterne-Generals) geschaffen und Lee wurde nach Samuel Cooper und Albert Sidney Johnston als dritter Soldat der Konföderation zu diesem befördert. Die Abzeichen eines konföderierten Generals (drei Sterne im Eichenkranz) wollte er aber nie tragen – Lee blieb bei seinem alten Abzeichen als Oberst der US-Armee (drei Sterne).

 

Erste Kommandos in der konföderierten Armee

Sein erstes Truppenkommando erhielt Lee im Herbst 1861 in West Virginia. Seine Offensive am Cheat Mountain scheiterte allerdings zum einen wegen der ungewöhnlichen Art seiner Befehlsgebung, zum anderen auf Grund der Fehler seiner Untergebenen. Immerhin gelang es ihm, das weitere Vordringen der Unionstruppen nach Osten zu verhindern; das westliche Virginia blieb unter Kontrolle des Nordens und spaltete sich 1863 als West Virginia ab. Nach einer kurzen Verwendung als Befehlshaber des Wehrbereichs South Carolina, Georgia und Florida wurde er 1862 von Jefferson Davis als Militärischer Berater – Kriegsminister ohne Kompetenzen – nach Richmond, Virginia berufen. Nach der schweren Verwundung von Joseph Johnston in der Schlacht von Seven Pines am 1. Juni 1862 übernahm er das Kommando über die Nord-Virginia-Armee. Da Generalmajor McClellan vor den Toren Richmonds stand (siehe auch Halbinsel-Feldzug), setzte Lee die Soldaten der Nord-Virginia-Armee zur Verbesserung der Befestigungen der Hauptstadt ein. Die Soldaten, die das Eingraben als unwürdig und unehrenhaft empfanden, verspotteten ihn als  Spatenkönig. Später wandelte sich dieser Spott jedoch in einen Ehrennamen, als die Soldaten erkannten, dass das Eingraben besonders während Grants Überland-Feldzug Leben sparte und zu Siegen verhalf.

 

Vom Chickahominy an den Antietam

Lee gelang mit seinem neuen Kommando, woran Johnston bislang gescheitert war. In der Sieben-Tage-Schlacht vertrieb er McClellan unter hohen Verlusten für beide Seiten von der Virginia-Halbinsel. Die militärische Bedrohung der Stadt Richmond durch die Armee der Nordstaaten wurde durch diesen Sieg erheblich reduziert.

Lees Sieg war jedoch nicht so vollständig, wie er erhofft hatte, da die Durchführung der Gefechte an der schwerfälligen Umsetzung seiner Aufträge durch seine Untergebenen gelitten hatte. Um die Koordination seiner Armee zu verbessern, teilte Lee sie deswegen in zwei große „Flügel“ (“wings”) (später Korps) ein, deren Kommandeure James Longstreet und Thomas Jonathan Jackson wurden. In der Zwischenzeit drohte von Norden durch Generalmajor John Pope und dessen Virginia-Armee eine neue Gefahr. Lee marschierte mit seiner Armee Pope entgegen und fügte ihm in der Zweiten Schlacht von Bull Run eine verheerende Niederlage zu.

Nach diesen zwei großen Erfolgen, die das Blatt scheinbar binnen zwei Monaten gewendet zu haben schienen, ergriff Lee selbst die Offensive und marschierte im Norden in Maryland ein. Damit wollte er die Einwohner des Sklavenhalterstaates Maryland zum Austritt aus der Union bewegen, den Farmern im nördlichen Virginia ermöglichen, ihre Ernte ohne Störungen einzubringen und durch einen Sieg England und Frankreich dazu zu bringen, die Konföderation anzuerkennen. Letzteres hätte die Union zum Friedensschluss gezwungen. Vor der Schlacht am Antietam zeigte er in den Schlachten am South Mountain und Harpers Ferry sein taktisches Können. Zahlenmäßig stark unterlegen wurde er anschließend von General McClellan und seiner Potomac-Armee am Antietam angegriffen und konnte sich nur mit Mühe behaupten. Die hohen Verluste zwangen ihn danach zum Rückzug nach Virginia.

 

Fredericksburg und Chancellorsville

Lee bekam nach der Schlacht von Antietam einen neuen Gegenspieler – Generalmajor Ambrose Everett Burnside wurde neuer Oberbefehlshaber der Potomac-Armee. Burnside befahl einen Angriff über den Rappahannock River bei Fredericksburg. Verzögerungen bei der Zuführung von Ponton-Brücken und die Unfähigkeit Burnsides, einen anderen Operationsplan zu entwickeln, brachten Lee die Zeit, für seine Armee eine starke Verteidigung zu organisieren. Der am 13. Dezember 1862 durchgeführte Angriff endete unter hohen Verlusten in einer Niederlage der Potomac-Armee. Lee kommentierte die hohen Verluste des Gegners mit einem seiner berühmtesten Aussprüche:

“It is well that war is so terrible — we should grow too fond of it!”[8] „Es ist nur gut, dass der Krieg so schrecklich ist - wir würden sonst vielleicht Gefallen daran finden.“

Nach dieser Niederlage ernannte Lincoln Generalmajor Joseph Hooker zum Oberbefehlshaber der Potomac-Armee, der im Mai 1863 beabsichtigte, Lee rechts zu umgehen und dessen linke Flanke bei Chancellorsville anzugreifen. Lee vereitelte diese Absicht durch den kühnen Entschluss, die Nord-Virginia-Armee zu teilen und seinerseits Hookers rechte Flanke anzugreifen. Es wurde ein überwältigender Sieg des Südens über die stärkeren Streitkräfte des Nordens, für den Lee allerdings einen hohen Preis bezahlen musste – neben den prozentual höheren Verlusten hatte er auch den Verlust Stonewall Jacksons zu verschmerzen, der in den Monaten zuvor sein fähigster Untergebener gewesen war, und von dem er sagte, er habe mit ihm seinen „rechten Arm“  verloren.

 

Der Gettysburg-Feldzug und der Kampf gegen General Grant

Nach dem grandiosen Sieg bei Chancellorsville war Lee davon überzeugt, seine Soldaten seien unbesiegbar. Er wollte deshalb die Potomac-Armee auf dem Territorium der Union schlagen, seine Nord-Virginia-Armee aus den reichen Vorräten Pennsylvanias versorgen, den Farmern im nördlichen Virginia eine ungestörte Ernte ermöglichen und mit einem Sieg die kriegsmüden Abgeordneten im Kongress zur Einstellung der Kampfhandlungen bewegen. Noch erbost von der Plünderung Fredericksburgs durch die Nordstaatler, erließ Lee die General Orders No. 73 und ordnete an, jedwede Art von Plünderungen und Misshandlungen der Zivilbevölkerung zu unterlassen. Lee marschierte von der Potomac-Armee unbemerkt ein zweites Mal auf Unionsgebiet. Bei Gettysburg, Pennsylvania wurde er wegen mangelhafter Aufklärung zunächst gegen seinen Willen zur dreitägigen Schlacht gezwungen, die er am Morgen des zweiten Tages jedoch annahm. Die Potomac-Armee, jetzt unter Generalmajor George Gordon Meade, wehrte alle Angriffe ab. Bezeichnend war auch hier, dass sich Lee am Abend des zweiten Tages bitterlich über die Unfähigkeit seiner Untergebenen beklagte, seine Aufträge so auszuführen, wie er sich das vorstellte. Lee erlitt hohe Verluste und war gezwungen, nach Virginia auszuweichen. Wie schon nach Antietam wurde die Nord-Virginia-Armee auch dieses Mal nicht energisch genug verfolgt. Am 8. August 1863 schickte Lee wegen der verlorenen Schlacht ein Rücktrittsgesuch an Präsident Jefferson Davis. Dieser lehnte Lees Ersuchen ab.

Anfang 1864 wurde Ulysses Simpson Grant, der Sieger von Vicksburg und Chattanooga, zum neuen Oberbefehlshaber der US-Armee ernannt. Er schlug sein Hauptquartier im Feld bei Meades Potomac-Armee auf, mit der er Lees Armee vernichten wollte. Lee gelang es zwar, jeden Vorstoß Grants zu stoppen, aber der blieb standhaft bei seinem Kriegsziel und besaß dazu genügend Soldaten, um die Angriffe immer wieder an anderen Stellen zu erneuern. In der Wilderness, bei Spotsylvania C.H. und bei Cold Harbor fanden blutige Schlachten statt, die jedes Mal das gleiche Ergebnis hatten: Grant wurde unter großen Verlusten auf beiden Seiten abgewehrt, wich aber nicht aus, sondern griff wenig später die Nord-Virginia-Armee an anderer Stelle erneut an.

 

Belagerung von Petersburg und Kriegsende

Nach der Niederlage bei Cold Harbor entschloss sich Grant, die Nord-Virginia-Armee am wichtigen Eisenbahnknotenpunkt Petersburg anzugreifen. Die Einnahme von Petersburg durch die Unionsarmee scheiterte aber, und es kam zur Belagerung von Petersburg, die vom Juni 1864 bis April 1865 dauerte. In dieser Zeit machte sich Grant seine numerische Überlegenheit zunutze und dehnte seine Linien immer weiter aus. Lee, seit 31. Januar 1865 Oberbefehlshaber der gesamten konföderierten Streitkräfte, wurde dadurch gezwungen, seine Linien auszudünnen.

Lee sah das Ende seiner Armee und der Konföderation kommen. Anfang 1865 drängte er zur Annahme eines schon öfter vorgebrachten aber bis dato immer verworfenen Planes, der es Sklaven erlauben sollte, in der Konföderierten Armee zu dienen. Als Anreiz sollten sie im Gegenzug ihre Freiheit erhalten können. Dieser Plan trat aber in der kurzen Zeit, die der Konföderation noch blieb, nie in Kraft. Nachdem Lees Nord-Virginia-Armee in monatelangen Kämpfen abgenutzt worden war, nahmen die Unionstruppen am 2. April 1865 Petersburg ein. Lee gab die Verteidigung Richmonds auf und versuchte sich General Joseph E. Johnstons Tennessee-Armee in North Carolina anzuschließen. Seine Truppen wurden aber von den vereinigten Unions-Armeen umstellt (siehe Appomattoxfeldzug) und er kapitulierte gegenüber General Grant am 9. April 1865 am Appomattox Court House, Virginia.

Während der Kapitulation erklärte Lee für sich und seine Soldaten ehrenwörtlich, nie wieder die Hand gegen die Vereinigen Staaten zu erheben. Im Gegenzug garantierte ihnen Grant, von den Behörden der USA nicht belangt zu werden, so lange sie sich an das Ehrenwort und die geltenden Gesetze hielten. Lee ging daraufhin nach Hause; als nach dem Krieg der Ruf laut wurde, ihn und andere hochrangige Konföderierte vor Gericht zu stellen, wurde dies unter anderem durch das von Grant gegebene Versprechen vereitelt.

 

Nachkriegszeit

Bis zum Tode

Alle Angehörigen der Nord-Virginia-Armee hatten zunächst den Status von auf Ehrenwort entlassenen Kriegsgefangenen. Am 29. April 1865 ermöglichte Präsident Johnson es ihnen, durch das Leisten eines Treueeides auf die Union ihre Bürgerrechte zurück zu erhalten. Wie viele andere beantragte Lee diese Amnestie auch. Sie wurde ihm allerdings nie gewährt, da der damalige Außenminister William H. Seward den Antrag direkt zu Akten legte; vermutlich nahm er an, dass der Fall bereits bearbeitet würde. Lee interpretierte das Ausbleiben einer Antwort so, dass die Regierung sich das Recht vorbehalten wolle, ihn zu einem späteren Zeitpunkt vor Gericht zu stellen. Der Irrtum klärte sich erst auf, als das Dokument Jahrzehnte später gefunden wurde. Lees Beispiel, die Amnestie zu beantragen, war eine Ermutigung für viele andere Konföderierte, den Kriegsausgang zu akzeptieren und erneut Bürger der Vereinigten Staaten zu sein.

Lee hatte vor dem Krieg gemeinsam mit seiner Frau im Haus ihrer Familie, dem Custis-Lee Mansion, gelebt. Das Grundstück wurde während des Krieges von Truppen der Union konfisziert und 1864 zum Friedhof umfunktioniert, heute ist es Teil des Nationalfriedhofs Arlington. 1882, also nach Lees Tod, entschied der Oberste Gerichtshof, dass die Enteignung illegal gewesen sei. Lees Sohn, G. W. Custis, verkaufte daraufhin das Grundstück für 150.000 USD an die US-Regierung.

Am 2. Oktober 1865 wurde Lee Präsident des Washington College (heute Washington and Lee University) in Lexington, Virginia. Unter seiner Führung wurde das Washington College eines der ersten in den USA, das Kurse in Wirtschaft, Journalismus und Spanisch anbot. Robert Edward Lee starb am 12. Oktober 1870 in Lexington an einer Herzerkrankung.

1970 fand ein Angestellter des Nationalarchivs die Niederschrift des von Lee geleisteten Treueeids. Deswegen begnadigte Präsident Gerald Ford 1975 Robert E. Lee posthum und verlieh ihm erneut seine vollständigen Bürgerrechte.

 

Lee als Feldherr

Durch sein Handeln gewann Lee einen Platz unter den großen Feldherren der Geschichte. Obwohl durch den Mangel an Material und politische Zwänge behindert, war sein Handeln stets wagemutig und er zögerte nie, schwerwiegende Risiken einzugehen. Auf dem Schlachtfeld war er bei Angriffen energisch und in der Verteidigung hartnäckig. Bei seinen Soldaten war er beliebt. Lee dominierte das Geschehen auf dem Schlachtfeld und seine überragenden Fähigkeiten kamen gerade in den letzten hoffnungslosen Schlachten des Krieges zum Ausdruck. Als Feldherr ist er mit Hannibal, Rommel und von Manstein vergleichbar – alle haben mit unterlegenen Kräften gegen überlegene Gegner gesiegt, den Krieg aber jeweils verloren.

Eine Besonderheit Lees war das Führen mit Aufträgen. Das war damals wie heute in den amerikanischen Streitkräften nicht üblich, deshalb benötigten seine Untergebenen einige Zeit, sich auf die damit verbundenen Freiheiten einzustellen. Das führte bei einigen Feldzügen zur Niederlage: Während des zweiten Tages der Schlacht von Gettysburg befahl er dem Kommandierenden General des II. Korps, Generalleutnant Richard S. Ewell, anzugreifen, wenn sich eine „favorable opportunity“ ergeben sollte. Ewell sollte eine solche Situation herbeiführen. Er wartete jedoch ab, ob eine solche eintrat. Weitere Beispiele dazu gibt es in der Sieben-Tage-Schlacht. War das gegenseitige Verständnis jedoch eingespielt, z.B. beim Maryland-Feldzug oder während der Schlachten von Fredericksburg und Chancellorsville ergaben sich gegenüber den Nordstaatlern eindrucksvolle Siege.

Lees Strategie und Taktiken werden heute noch an Militärakademien als Musterbeispiel dafür gelehrt, dass eine personell und materiell unterlegene, schlechter ausgerüstete Armee einem übermächtigen Gegner standhalten kann.

 

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